Ich liebe Dich nicht, ich mag Dich nur!

Mein Name ist Peter, Nachname ist nicht interessant oder doch? Was ich erzählen will ist wichtig. Ein inneres Bedürfnis schleicht sich in meiner Halsschlagader nach oben, schnürt meinen Hals zu und ergreift schließlich die Flucht durch meinen halbgeöffneten Mund. Wäre mein Besuch jetzt da, würden meine Worte abgehackt und in Tröpchenform sich meinem Gegenüber nähern und das Ergebnis wäre leicht ablesbar am Mund und den Augen meiner Besucherin. Was bezwecke ich nun mit diesen nervösen Gedanken. Ja, ich erwarte eine Frau. Ich bin siebzig Jahre und nach vierzigjähriger Ehe wieder allein. Ich habe meine Frau geliebt und ich glaube, sie mich auch. Wir haben uns das immer wieder gegenseitig beteuert. Gefühle mussten täglich unter Beweis gestellt werden, wenn wir aus dem Haus gingen oder zurückkamen. Nun kann ich sie am Grab besuchen, Kerze wechseln und ihr meine Liebe, die weit über den Tod hinausreicht, stets aufs Neue bekunden, obwohl sie mich nicht mehr hören kann. Freunde rieten mir nach vorne zu schauen, das Leben neu zu gestalten, fröhlich zu sein, um sich nach allen Seiten zu öffnen. Worte, Sätze die mich kaum erreichten. Alibifunktionen von unwissenden und unsensiblen Menschen, die glauben Trost sei eine Ansammlung von warmen Worten. Nun habe ich es doch gewagt, mein Alleinsein eine neue Wendung zu geben. Nein, ich meine nicht die Einsamkeit, ich bin nicht einsam, ich will nur dem andauernden Alleinsein einen Riegel vorschieben. So blätterte ich mich durch die Bekanntheitsforen im Internet und war überrascht wie viele einsame, suchende Menschen es gibt. Schreiben war das Gebot der Stunde, Schreiben und nochmal schreiben. Schicksale erfahren, menschliches Leid erkennen, Hoffnungen und Wünsche aufnehmen, das wurde zur Triebfeder meines täglichen Handelns. Meine Gedanken jagden zurück, zu jener Zeit in der wir in junger, dynamischer, kraftvoller Spritzigkeit den Mädels den Hof machten. Wenn sie es hören wollten, sagten wir ihnen das wir sie liebten. Die Oberflächlichkeit unseres Tuns hinterließ Verletzungen, Tränen und Trauer. Ich muss gerade heute daran denken, weil Jahrzehnte später, ich neu lernen muss, zu überzeugen, zu werben um die Gunst einer Frau, die ebenfalls ihr Rucksack einer Jahrzehnten langen Geschichte zu schultern hat. Solange man schreiben kann, tut das Gespräch nicht weh aber heute? In wenigen Minuten wird es klingeln und mein erstes Date nach vielen Jahren der wohligen Zweisamkeit steht mir bevor. Was sage ich der Frau? Wo fange ich an? Wie nahe kann ich ihr begegnen? Wo liegen die Grenzen, wo die Zumutbarkeit? Darf ich sie anfassen, vielleicht sogar streicheln? Darf ich sie küssen? Ist sie erotisch aggressiv, will sie sofort mit mir schlafen? Auf was muss ich mich vorbereiten? Da bin ich nun wieder bei dem inneren Bedürfnis, bei der getrockneten Kehle. Ich nehme noch einen Schluck Wasser und zucke zusammen als es an der Haustür klingelt. Gedanken durchfluten mein Gehirn. Die zurechtgelegten Sätze sind entschwunden. Schnell wische ich mir den Schweiß aus der Stirn, blicke mit Argusaugen in den Flurspiegel und erschrecke. Grimassenhaft grinst mir eine fremde Person entgegen. Ein Ebenbild das mir unbekannt erscheint. Schönheit? Die Jahre haben sie fortgetragen. Die Falten? An ihnen entzünden sich meine Selbstzweifel. Was ist aus mir geworden? Wohin entwich meine Selbstsicherheit? Panälerglück der späten Jahre? Soll ich die Frau sofort umarmen oder warte ich ab. Ich öffne die Tür und lächle sie an. Was muss das für ein gequältes Lächeln gewesen sein, als sie mir freundlich die Hand reicht. Ich lass die Hand nicht los. Ich ziehe sie gemächlich in das Wohnzimmer und drücke sie sachte in einen besonders gemütlichen Sessel. Ich reiche ihr alles was ich zu bieten habe, Kaffee, Kuchen, Wasser und Gebäck. Um das Gespräch anzuheizen, stelle ich wohl die dümmsten aller Fragen. Der Familienstand, ihre Kinder, ihr Hobby alles war kurzzeitig wichtiger als ein Gespräch über uns. Sie gibt mir bereitwillig Auskunft. Ich sehe in ein schönes Gesicht. Hellblaue Augen, leicht gebogene Nase, gewölbter Mund. Der Mund lädt zum Küssen ein, doch traue ich mich nicht. Wenn sie jetzt mit mir schlafen möchte, kann ich das nicht. Ich bin gehemmt, verklemmt mit einer verkümmerten Männlichkeit. Hoffentlich will sie das nicht. Ich möchte sie aber streicheln, ihr langes schwarzes Haar berühren. Langsam tastet sich meine Hand vor. Ich kann aber nur Zärtlichkeit geben, wenn ich Zärtlichkeit bekomme. Langsam greife ich ihre Hand und streichele sie mit zwei Fingern. Daraufhin zieht sie ihre Hand weg und sagt: „Ich liebe dich nicht, ich mag dich nur“. OK denke ich, klare Worte. Mögen tue ich auch das Fernsehprogramm heute Abend. Ich nippe an meiner Kaffeetasse, schaue auf die Uhr und wünsche mich fort aus diesem Elend.

Es sind Peters Gedanken, die Gedanken eines Mannes. Welche Erwartungshaltung die Frau hat ist unbekannt. Ist Peter verloren auf der Suche nach sich selbst? Hat er den zeitlichen Anschluss verpasst. Welche Fehler macht er? Viel wichtiger ist aber die Frage, steht er sich bei einem Date nicht selbst im Wege? Gibt es eine Lösung für ihn? Vielleicht wisst Ihr eine Antwort und zeigt Peter den richtigen Weg!

© Bernd Rosarius